hakon_18256871Hallo Cathlyn,
als erstes die Antwort auf die Frage, ob Du vielleicht zu "aufdringlich" seist: Nein, auf gar keinen Fall! Alles, was Du gegenüber Deinem Partner zum Ausdruck bringst, ist der Wunsch nach Normalität. Und zur Normalität eines Paares, das eine auf Dauer angelegte Beziehung führen möchte, gehört nun einmal der regelmässige Sex. Dass Ihr in der Lage seid, gemeinsam befriedigenden Sex zu haben, das habt Ihr in den ersten Monaten Eurer Beziehung erlebt. Aber das war die Anfangsphase, und dass in dieser Zeit meistens ein sexuelles "Feuerwerk" abbrennt, ist auch völlig normal. Jetzt aber muss es übergehen in den langfristigen Normalbetrieb, in sexueller Hinsicht die "Alltagslust", sozusagen. Und da hakt es (bis jetzt) noch. Aber es gibt Abhilfe! Lass mich aber zuerst sagen zu Eurer Beziehung: Aus allem, was Du schreibst, habe ich den Eindruck, dass es eine Beziehung mit Zukunft ist, und dass es sich lohnt, daran zu arbeiten. Ich gebe mal ein paar Dinge wieder, die er Dir gesagt hat: Er findet Deinen Körper unwiderstehlich, sexy und begehrenswert; er steht voll auf Dich, er liebt Dich und jede Rundung an Dir. Obwohl es riskant ist, aus der Ferne eine solche Beurteilung abgeben zu wollen, wage ich es doch: Du kannst ihm das glauben; er meint es wirklich so. Euer Problem ist sexueller Natur, und es ist lösbar. Vieles, was Du schreibst, klingt sehr, sehr vertraut für mich, denn in mancher Hinsicht war das auch das Problem bei meiner Frau und mir, und das über Jahrzehnte. Darum spricht mich Eure Situation irgendwie so stark an. Aber die Lösung kam doch noch für uns, wenn auch spät. Allerdings löst sich nichts von alleine, Umdenken ist angesagt. Erfolgt keine Lösung, schleppt man das Problem evtl. sehr lange mit; und das ist eine frustrierende Situation, die bedrohlich werden kann für jede Beziehung. Seit den frühesten Zeiten unserer Beziehung war es klar: Meine Frau wünschte sich deutlich öfter Sex, als dass ich in der Lage gewesen wäre, dem zu entsprechen. Es macht mich immer sehr betroffen, was diese Situation mit Frauen macht, wie es am Selbstwertgefühl nagt. Du sorgst Dich um Deine Attraktivität, meine Frau hat mich früher immer wieder gefragt, ob sie Körper- oder Mundgeruch habe. Aber - um Himmels Willen, nein! - das war es nicht, und das ist es nicht. Du kannst allen Deinen Selbstzweifeln getrost einen Tritt geben; mit Dir hat das alles rein gar nichts zu tun. Ich habe meine Frau zu allen Zeiten als hübsch und attraktiv empfunden, aber wenn bei mir die sexuelle Spannung, das Begehren einfach nicht vorhanden war - alle weiblichen Verführungskünste dieser Welt hätten nichts ausgerichtet. Und da liegt das Problem - es gibt eine Lücke zwischen weiblichem und männlichem Begehren. Die Ursache ist leicht zu erklären. Sie liegt in der Art und Weise, wie wir in der westlichen Welt "Liebe machen". Das weibliche Lustpotenzial ist schier unerschöpflich, und unter unseren vorherrschenden Lebens- und Liebesbedingungen hat man als Mann keine Chance, da mithalten zu können. Das ergibt dann die Situation, wie Ihr sie erlebt. Und ich glaube, dass das sehr weit verbreitet ist in allen sexuell aktiven Partnerschaften. Wenn eine Frau nur vorsichtig ihre Bedürfnisse anmeldet, könnte ihn das schnell überfordern. Wenn Du Deinen Partner gerade "auf dem falschen Fuss erwischst", dann wird nichts laufen. Sex wird nur stattfinden, wenn bei ihm gerade die Lust und das Begehren vorhanden sind. So war es auch bei mir - und das für sehr lange Zeit. Man bräuchte eine Strategie, um sein Begehren an das ihre anzupassen, dann hätte er dasselbe unerschöpfliche Lustpotenzial wie sie. Und diese Strategie gibt es, sie funktioniert aber nicht unter den Bedingungen "westlicher" Sexualität. Wir sind dazu gekommen "wie die Jungfrau zum Kinde", wie man so schön sagt, als ich vor ca. 2 1/2 Jahren beim Surfen im Internet auf eine Flut von Informationen stiess über Formen der Sexualität, die auf jahrtausendealte Weisheitslehren der Chinesen und anderer fernöstlicher Völker zurückgehen. Hier bei uns im Westen sind sie bekannt unter Begriffen wie "tantrischer Sex" und "Karezza". Bei allen Unterschieden in der Lehre haben alle diese Methoden jedoch in ihrer Praxis eines gemeinsam: Die Männer verzichten völlig auf Orgasmus und Ejakulation und werden im Idealfall nur noch zum Zwecke einer Schwängerung Sperma vergiessen. Unsere "westliche" Sexualität ist recht kräfteraubend für uns Männer: Unsere Körper sind ständig damit beschäftigt, Sperma zu produzieren, welches dann bei jedem GV wieder ausgeschieden wird, nach der geltenden Sexual-Lehre, und sofort macht sich der Körper wieder daran, neues Sperma nachzuproduzieren, und das kostet Kraft, viel Kraft. Eine Entsprechung im weiblichen Körper gibt es nicht. Wenn der Mann nun von der kräfteraubenden Pflicht der Spermaproduktion befreit wird, setzt das erstaunliche sexuelle Kräfte frei. Wir Männer erleben nach jedem Orgasmus einen tiefen "Absturz", wie ihn Frauen nicht kennen. Dem können folgen Stimmungsschwankungen und vor allem Phasen der sexuellen Lustlosigkeit. Wenn man als Mann aber damit aufhört, zu ejakulieren, dann wird nach einiger Zeit das Verlangen nach dem Orgasmus-Gefühl verschwinden, nicht aber das Verlangen nach Sex! Das ist nun stärker als zuvor da, das Verlangen nach der Partnerin und nach der Vereinigung mit ihr, und das permanent, immer! Man überlege die Konsequenzen! Die Lücke ist geschlossen. Lustlosigkeit gehört der Vergangenheit an. Ein Paar, das auf diese Weise Sex hat, wird häufigeren und länger anhaltenden GV haben. Klar, ein Orgasmus ist immer ein intensives Lusterlebnis, aber als Mann kann man das locker verschmerzen hinsichtlich der vielen Vorteile, die es bringt. Die Vorteile für den Hormon-Haushalt bei beiden haben wir dabei noch gar nicht erwähnt. Die Praxis ist auch einfacher, als man denkt. Man braucht zunächst ein Reset, eine ein- bis zweiwöchige Phase sexueller Total-Abstinenz, bevor man neu startet. Es beginnt mit einem Umdenken, mit neuen Spielregeln. Das Ziel ist das Einssein, nicht der Orgasmus, obwohl den Frauen ja im Gegensatz zum Mann Orgasmen gestattet sind. Es geht auch darum, allen Stress und Leistungsdruck zu vermeiden. Der Mann wird sich selbst programmieren: "Ich werde nicht kommen. Ich werde mein Sperma drinnen behalten" - und der Körper wird gehorchen, früher oder später. Beide Partner werden sich darauf verständigen, alle kräftigen und schnellen Stoss-Bewegungen des Beckens zu vermeiden, und alle Bewegungen nur weich, gleitend und sehr langsam zu machen, wenn man sich überhaupt bewegt. Er soll ja nicht zum Ejakulieren gezwungen werden. Das Vorspiel ist kurz und besteht nur aus Kuscheln, Knutschen und Streicheln, unter Auslassung der Genitalien des Partners. Man will sich nicht unnötig aufheizen. Wenn beide Körper bereit sind, kann man sich vorsichtig vereinigen, und ist schon am Ziel! Es ist alles erreicht, was es zu erreichen gilt. Sie wird es ganz ihrem Körper überlassen, ob ein Orgasmus kommt oder nicht. Gerade dadurch, dass man sich gewisse Beschränkungen auferlegt, kann es die Lust ganz enorm steigern, aber eben eine etwas andere Art der Lust als gewohnt. Grundsätzlich gehen alle Stellungen, aber am gebräuchlichsten sind wohl Missionars-, Scheren- und Brücken-Stellung. Man will möglichst viel Körperkontakt, braucht gleichzeitig aber auch bequeme Positionen, in denen man sehr lange aushalten kann. Manche Paare dehnen es auf Stunden aus. Die liebevolle, zärtliche Zuwendung ist sehr wichtig, Lippen- und Zungenküsse spielen immer eine grosse Rolle. Diese Art der Sexualität macht etwas mit einem; sie tut jeder Beziehung sehr, sehr gut. Die Herz-Schiene kommt irgendwie ins Spiel. Nie zuvor in unserer langen Ehe habe ich mich meiner Frau so nahe gefühlt wie seit der Zeit, wo ich aufgehört habe, zu ejakulieren. Jetzt habe ich mich in Begeisterung geschrieben. Diese Sache war eine der wichtigsten Entdeckungen und Entscheidungen in unserem Leben. Aber es gibt natürlicherweise auch evtl. Anpassungs-Probleme, die fairerweise genannt werden müssen. Bei ihm kann es anfänglich immer noch zu unfreiwilligen Orgasmen kommen. Frauen können die Erfahrung vermissen, wenn der Partner sonst in ihnen zum Höhepunkt kam. Aber das sind alles Fragen der Gewöhnung. Beim weiblichen Orgasmus-Erleben kann es einen Rückgang bei Häufigkeit und Intensität geben. Andere Frauen dagegen, für die bisher der GV immer zu kurz war, können jetzt evtl. durch die längere Dauer der Vereinigung eher zum Höhepunkt kommen.
Vielleicht könnt Ihr mit all dem etwas anfangen. Es gibt reichlich Literatur zum Thema, vor allem die Bücher von Diana Richardson und Marnia Robinson.
Für Eure gemeinsame Zukunft wünsche ich Euch alles Gute!
LG,
Noah