Hey Wölfchen!
Hab vielleicht auch was für dich :D Ist von Erich Weinert:
Neulich war ich bei Dichters eingeladen.
Da roch es nach Lorbeern und Gesprächen mit Gott.
Es gab lyrische Hammelkarbonaden
Und hinterher Aphorismenkompott.
Herr Dichter sprach über die letzte Schaffensepoche
Und kaute gedankenvoll Petersilie.
Es kam mir vor wie ein Bild aus der Woche:
Der Dichter im Kreise seiner Familie.
Frau Dichter machte in Seelenergüssen
Und sprach, als Herr Dichter mal austreten ging,
Von der Tragik derer, die dichten müssen.
Wobei sie noch mal mit Kompott anfing.
Nach Tisch kamen noch zwei weitere Genies,
Beide mit katafalkischen Mienen,
An denen sich unschwer erkennen ließ:
Es lebte die gleiche Tragik in ihnen.
Herr Dichter schob uns in seine Zelle;
Da war er eben von einem Drama genesen.
Wir lagerten uns pittoresk an der Quelle.
Herrn Dichter drang es, was vorzulesen.
Und er las, bis seine Bronchien pfiffen,
Die lautesten Stellen aus jedem Akt.
Wir saßen finster und angegriffen,
Von seiner starken Dynamik zerhackt.
Dann klappte er zu, mit verhängten Pupillen.
Frau Dichter schmolz über seine Knie.
Im Dunkeln funkelten hörnerne Brillen,
Die räusperten was von Kosmosophie.
Hierauf traten die andern Herrn aus dem Schatten.
Manuskripte wurden heftig gezückt,
Die sie alle zufällig bei sich hatten;
Und jeder las nun den eignen Konflikt.
Herr Dichter sah ganz von oben runter,
Das geschlossene Auge nach innen getunkt.
Doch die andern wurden gewaltig munter
Und deklamierten geballt, ohne Reim und Punkt.
Das eine Genie kriegte tragische Inspiration,
Die eine Hand im Klavier, die andre am Schlipse,
Und melodramte lyrisch kakophon.
Es war eine schauerliche Apokalypse.
Dann redeten sie mit verstauchten Manschetten:
Sie wären innerlich völlig Kristall,
Und wie sie mit Gott zu ringen hätten
Und glühend dahinzuschweifen durchs All. -
Ich bin leise weinend davongelaufen,
Mir hing schon die ganze Seele raus.
Denn so viel Tragik auf einen Haufen,
Das hält die beste Gesundheit nicht aus.
:)