Tiefgründiger langer Beitrag (nichts für Oberflächliche) !!!!!!!!!!
diesen Inhalt habe ich aus dem Forum der "Sexsüchtigen" (ein sehr niveauvolles gutes neues Forum) kopiert. Vermutlich paßt es hier nicht wirklich her und die meisten können nichts damit anfangen.
Dennoch ein Tropfen auf den heißen Stein möchte ich setzen, dass es friedlicher und harmonischer zwischen Mann und Frau ablaufen möge, die Kluft zwischen den Geschlechtern kleiner werden möge und die "Heilung der Sexualität" sich mehr verbreiten möge.
(tantrische Anschauung)
www.bewusster-lieben.de
soussa
Wozu über die Liebe schreiben? Ist Liebe nicht ein
allgemein bekanntes Gefühl? Sind wir nicht alle Experten
der Liebe, wissen, wie sie sich anfühlt, wie sie
geht? Ich liebe dich. ist heute ein magischer Satz, der
überall und vielfältig gesagt wird. Ich liebe dich ist ein
Schlüssel und eine Schwelle. Der Satz leitet meist eine
neue Stufe der Partnerschaft ein. Man sagt damit aus,
dass es einem ernst sei, dass man jemandem nahe sein
möchte. Ich liebe dich macht einen Schauder, man hält
inne und ist jedes mal wieder ergriffen. Andererseits,
wie oft haben wir diesen Satz gesagt, ohne genau zu
wissen, ob es wirklich stimmt, was wir da gerade sagen
und uns gefragt: woran merke ich eigentlich, dass ich
ihn oder sie liebe? Dann haben wir in uns nach Referenzgefühlen
oder liebestypischen Anzeichen gesucht.
Wir haben verglichen mit früheren Beziehungen und
was wir aus Filmen und Büchern kennen. Wir haben
uns an bestimmten Zeitannahmen orientiert (Jetzt sind
wir schon soundso lange zusammen und es ist so schön, da muss
es doch Liebe sein.) oder wir haben es einfach mal gesagt,
weil es sich gerade so vertraut anfühlt.
Was macht dieser Satz mit uns? Warum ist es so magisch,
zu sagen oder gesagt zu bekommen, man liebe
oder werde geliebt? Ist es Liebe, wenn wir meinen, es
ist Liebe? Was würden Sie antworten, wenn ich Sie
fragen würde, was die Liebe ist? Probieren Sie es aus:
Liebe ist ... ?
Was würde an Stelle dieser drei Punkte stehen? Vielleicht:
Liebe ist, wenn ich jemanden ganz sehr mag.
Liebe ist, wenn ich Schmetterlinge im Bauch habe.
Liebe ist, wenn ich jemanden begehre. Liebe ist, wenn
der Sex gut ist. Liebe ist, wenn ich mit jemandem
zusammen sein will. Liebe ist eine tiefe innere Verbundenheit
und Vertrautheit.
Nichts von all dem ist Liebe. Und dennoch haben
einige dieser Antworten etwas mit Liebe zu tun, sind
Beiprodukte einer Partnerschaft, die auf Liebe beruht.
Der Essay basiert auf Erfahrungen aus meiner psychotherapeutischen
Arbeit mit einzelnen Menschen und
Paaren, aus eigener Forschung und der Beschäftigung
mit wissenschaftlichen, buddhistischen, hinduistischen
und christlichen Texten. Dabei versuche ich von Religion,
Moralvorstellungen und gesellschaftlichen Dogmen
frei zubleiben.
Der Essay gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil
erarbeite ich, was Liebe nicht ist und womit sie am
häufigsten verwechselt wird. Hier wird auch der Unterschied
zwischen Partnerschaft und Liebe verdeutlicht
und es wird deutlich, welche Funktionen Partnerschaft
hat. Der zweite Teil klärt die Frage, was Liebe
ist, woran ich merke, dass ich liebe, was Partnerschaft
und Liebe miteinander zu tun haben. Der dritte Teil
möchte dem Leser und der Leserin Methoden an die
Hand geben, mit der die eigene Liebes- und Partnerschaftsfähigkeit
erweitert werden kann.
1. Teil: Was Liebe nicht ist
Die Gesellschaft hat in unseren Köpfen ein Bild von
Liebe gezeichnet, dass nirgendwo in Reinform existiert,
und wenn, dann funktioniert es nicht. Das romantische
Ideal der großen Liebe, die ein Leben lang
hält, die mit einer akuten Verliebtheitsphase beginnt,
in eine Hochzeit mündet und mit ewiger Treue einhergeht
das stimmt so nicht. Vielleicht gibt es das in
Teilen, vielleicht funktioniert es eine Weile, wenn wir
die Liebe nach diesem Ideal gestalten, vielleicht verwechseln
wir andere Gefühle, wie Geborgenheit, Sicherheit
und Vertrautheit mit Liebe und meinen, dass
wir das große Ideal leben. Aber wir tun es nicht. Ei-
gentlich leben wir Partnerschaft und glauben, es sei
Liebe.
In einem ersten Schritt möchte ich aufzeigen, welche
Funktionen Partnerschaft vielfach für uns erfüllen
muss. In einem zweiten Schritt soll dargestellt werden,
mit welchen Empfindungen und Gefühlen Liebe
häufig verwechselt wird.
Welche Funktion Partnerschaft vielfach für uns
hat
Partnerschaft wird mit Liebe gleichgesetzt. Wir leben
sie nicht, weil wir uns lieben, sondern aus anderen
Gründen.
a. Das romantische Ideal der großen Liebe ist ein
Ausdruck unserer Sehnsucht nach dem Erreichen
eines festen Zustandes. Wir wünschen uns ein Ende
von Brüchen und ständiger Veränderung und sehnen
uns nach dauerhaftem Frieden. Dieses Konstrukt ist
ein gängiges Partnerschaftsideal. Die große Liebe zu
finden, verheißt, dass wir uns ganz sicher sind, dass
diese Liebe der Ankerpunkt in unserem Leben ist und
das dieser bleibt, wenn das Leben stürmisch wird.
Veränderung macht uns Angst, weil sie eine potenzielle
oder reale Gefahr enthalten kann. Etwas von Dauer
zu haben (oder davon überzeugt zu sein, dass es von
Dauer ist) gibt uns Halt (oder die Illusion davon) und
hält die Angst auf Distanz, macht sie weniger schwer
und deutlich, manchmal kaum noch wahrnehmbar. Je
mehr wir unsere Beziehung nach diesem Ideal der
großen Liebe gestalten und sie zementieren, desto
kleiner wird die Angst. Und tatsächlich scheint das
Leben einem ja auch Recht zu geben solange es
funktioniert und die Partnerschaft gut geht.
b. Wir müssen das gesellschaftliche Partnerideal
verwirklichen, weil sonst mit uns etwas nicht
stimmt (sagt die Gesellschaft oder glauben wir).
Die Gesellschaften haben über die Jahrtausende unterschiedliche
Konventionen für Partnerschaft entwickelt.
Nach dem bestehenden Modell der modernen,
westlichen Gesellschaft durchläuft eine Partnerschaft
verschieden Stadien, beginnend mit dem romantischen
Verliebt-sein, gefolgt von sich mehr aufeinander
einlassen, Zusammenziehen und Heiraten. Einher
gehen Vorstellungen von Paaren und Familien und
deren Art der Umfeld- und Alltagsgestaltung: gemeinsame
Wohnung oder besser ein Haus, Auto, Kinder,
Frau arbeitet halbtags, wir richten uns schön ein
usw. Es gibt Vorstellungen darüber, wie sich der Sex
verändert, von stürmisch und leidenschaftlich über
vertraut und tief, zu immer weniger häufig und weniger
leidenschaftlich. Es gibt die Vorstellung, dass man
sich für einen Partner dauerhaft entscheidet und bis
ans Lebensende zusammen bleibt. Trennungen werden
als etwas Katastrophales und Negatives bewertet.
Zwar ändern sich diese Vorstellungen gerade, es gibt
feministische Bewegungen, die die Rolle und das
Selbstverständnis der Frau neu definieren, Scheidungen
werden zu einem Dauertrend, es gibt immer mehr
unterschiedliche Familienkonstruktionen über Alleinerziehende
bis hin zu Patchwork-Familien. Aber unsere
Bewertungsgrundlage bleibt nach wie vor eine
grundlegende Überzeugung von was eigentlich richtig
ist, wie Partnerschaft tatsächlich zu sein hat und
das ist nach wie vor das gesellschaftliche Ideal.
Der Druck, den diese Konvention auf uns ausübt,
darf nicht unterschätzt werden. Es gibt zwar immer
wieder mal intellektuelle Umdeutungen (überzeugte
Singles), aber letztendlich kämpfen wir gegen den
Gedanken an, dass mit uns etwas nicht stimmt, etwas
nicht richtig ist, wenn wir die Liebe nicht finden,
wenn wir keine Beziehung hinkriegen, wenn wir Single
sind, wenn wir in der Ehe scheitern.
Welcher Wert bin ich, wenn ich allein bin? Bin ich
wert geliebt zu werden? Bin ich wert, dass jemand mit
mir zusammen sein möchte? Darf ich gewählt werden?
Depression ist ein Ausdrucksbild des in der Liebe
Scheiterns. Der Verständniszugang dazu ist der
Satz: Ich komme mit meiner Liebe nicht an. So,
wie ich bin, genüge ich nicht. Meine Liebe will niemand.
Da der Druck dieser gesellschaftlichen Konvention so
groß sein kann, können wir früher oder später an den
Punkt kommen, dass wir glauben uns jetzt entscheiden,
einlassen oder festlegen zu müssen. Obwohl die
Partnerschaft, die gerade stattfindet, vielleicht gar
nicht richtig läuft, sich nicht stimmig oder gut anfühlt,
beginnen wir aus gesellschaftlichem Druck heraus,
oder weil wir meinen, dass das jetzt zeitlich einfach
dran sei aufzuhören, weiter zu suchen, weiter zu
forschen, es stimmig machen zu wollen. Dieser Punkt
ist ein entscheidender Wendepunkt in unserem Leben.
Der jugendliche Sturm fällt ab, die Idealverwirklichung
wird nicht mehr angestrebt, wir beginnen mit
Halbherzigem. Und weil das schmerzhaft ist und wir
wissen, dass wir uns gerade selbst verraten, versuchen
wir mit aller Macht, es nicht wahrzunehmen, uns davon
zu überzeugen, wir würden immer noch nach
unseren Idealen streben. Wir werden gesellschaftliche
Modelle zur Begründung und Rechtfertigung heranziehen
oder einfach sagen, wir hätten keine Kraft
mehr und es wäre jetzt auch an der Zeit, weniger
stürmisch zu sein, mehr zur Ruhe zu kommen.
Im dritten Teil des Essays wird aufgezeigt, dass eine
dauerhafte Partnerschaft tatsächlich möglich ist, aber
nicht aus äußerem Druck heraus. Es braucht dazu das
Loslassen der inneren, durch die Gesellschaft geprägten,
Bewertungsmuster.
c. Wir konstruieren über Partnerschaft und geliebt
werden unseren Selbstwert. Selbstwert, oder
Selbstbewusstsein, wird im Allgemeinen über soziale
Vergleichsprozesse konstruiert. Ich vergleiche mich
mit anderen und wenn ich besser bin, steigt mein
Selbstwert. Bin ich schlechter, sinkt er. Natürlich kann
man sich nicht in allem mit anderen Vergleichen. Das
eigene Klavierspiel (ich kann gar nicht Klavier spielen)
mit einem Konzertpianisten zu vergleichen und dadurch
dann Minderwertigkeitskomplexe zu bekommen
ist unsinnig. Wir suchen uns unsere Vergleichsgruppen
nach sozialen Schichten, nach Kompetenz
oder nach Alter aus und vergleichen uns nur in
bestimmten Gebieten, z.B. Geld (Ich bin erfolgreich,
also bin ich Wert.), Macht (Ich weiß, wo es lang
geht und bestimme die Schicksale vieler Menschen,
also bin ich Wert.), Selbstwirksamkeit (Ich bin wirksam
und tue etwas Sinnvolles, also bin ich Wert.)
oder Entwicklung (Ich bin so entwickelt, so religiös,
so spirituell, so intelligent, im Vergleich zu anderen,
daher bin ich Wert.).
Für einen Großteil der Menschen ist eine im Vergleich
zu gesellschaftlichen (Sub-) Normen1 erfolgreiche
Beziehung der wichtigste Teil der Selbstwertkonstruktion.
Gelingt uns diese nicht, ist unser Selbstwert gefährdet.
Die Tatsache, dass ich geliebt werde, dass
jemand mit mir in Partnerschaft sein möchte, schreibt
mir Wert zu. Ich habe also eine Existenzberechtigung
in der Gesellschaft.
Das gesellschaftliche Gebot der Treue und das Versprechen
bis das der Tod uns scheidet dienen vor
diesem Hintergrund dazu, den drohenden Selbstwertverlust
durch Trennung zu verhindern. Sie sind der
Versuch, die Angst vor der eigenen Entwertung zu
minimieren.
d. Partnerschaft vermittelt Sicherheit und Geborgenheit.
Ähnlich, wie bei Punkt (a) sind Sicherheit
und Geborgenheit Faktoren, die gegen Veränderung
und die damit verbundene Angst wirken.
1 Subnorm, weil die Beziehungskonventionen innerhalb der Gesellschaft
inhaltlich unterschiedlich sind, d.h. mit anderen Ritualen
und Symbolen belegt sind. Innerhalb der Subkulturen gibt es dann
jedoch auch wieder Konventionen, die eine Partnerschaft erfolgreich
oder nicht erfolgreich wahrnehmen.
2 Das bedeutet nicht, dass der Autor die freie Liebe und Scheidungen
propagiert, denn es gibt auch noch ganz andere Gründe für
Treue.
Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Partnerschaft
uns einen sicheren Raum schafft, in dem Vertrautheit
und Geborgenheit stattfindet. In der Sicherheit können
wir wachsen, trauen uns mehr. Hier können wir
uns mehr öffnen und mehr wagen. Wir müssen es nur
auch tun. So lange wir diese Tatsache berücksichtigen,
wird unsere Partnerschaft voller Veränderungen und
Impulse sein, und wir werden uns dennoch geschützt
und sicher fühlen.
Die Kehrseite des Sicherheitsraumes Partnerschaft
ist, dass wir weniger wagen, uns mehr in Sicherheit
wiegen. In diesem Fall ist er kontraproduktiv.
e. Partnerschaft als Selbstheilungsversuch. Peter
Lauster schreibt dazu: Eine Liebe, die aus der Problematik
der noch nicht gelungenen Selbstfindung heraus entwickelt wird,
ist meist keine Liebe, sondern ein verzweifelter Selbstheilungsversuch.
Insbesondere die erste Zeit einer neuen Partnerschaft
ist sehr positiv für die eigenen Verletzungen.
Die viele Aufmerksamkeit, der gesteigerte Selbstwert,
die romantischen Begegnungen tun viel dazu, dass wir
uns unserer Verletzungen und Traumatisierungen
weniger bewusst sind. Das Leben erscheint weniger
schwer. So könnte es eigentlich immer weitergehen.
Dieser Zustand hält jedoch nicht sehr lange an. Die
eintretende Differenzierung der Partnerschaft, das
Entdecken von schwierigen Seiten am Partner und die
Tatsache, dass unser Partner uns durch die zunehmende
Nähe in unseren alten Verletzungen berührt,
führen zu einer schnellen Desillusionierung und zu
Trennungsgedanken (Vielleicht ist er ja doch nicht
der Richtige.).
Selbstheilung kann und darf in einer Partnerschaft
stattfinden, jedoch anders. Nicht durch die Selbstwertsteigerung,
nicht durch Romantik oder Zurückdrängen
der Selbstzweifel. Heilung geschieht durch das liebevolle
Wachsen miteinander. Durch das Da-sein-lassen
von Selbstwertdefiziten und Ängsten bei sich und dem
anderen und das wechselseitige Gehalten-werden und
Halten. Es geschieht durch das Wahrnehmen und
Nicht-Bewerten von Leiden.
Womit Liebe gern verwechselt wird.
Wir halten Gefühle und Empfindungen für Liebe, die
nicht unbedingt etwas mit ihr zu tun haben.
a. Geborgenheit und Sicherheit. Partnerschaft vermittelt
Geborgenheit und Sicherheit. Sie gibt für einige
Zeit die Möglichkeit, sich auszuruhen, sich zurückzuziehen,
sich geborgen zu fühlen. All diese Ergebnisse
von Partnerschaft sind gut und wichtig, sind jedoch
nicht mit Liebe zu verwechseln.
b. Vertrautheit. Nach einiger Zeit in einer funktionierenden
Partnerschaft stellt sich ein Gefühl der Vertrautheit
und Nähe ein. Wir kennen einander besser
und sind uns näher, als mit jedem anderen Menschen.
Das fühlt sich gut an. Wir können uns mehr einlassen,
mehr zulassen. Vertrautheit ist ein wichtiger Bestandteil
von Partnerschaft. Nur weil sie da ist, heißt es
nicht automatisch, dass es Liebe ist.
c. Verliebtheit. Die das Verliebtheitsgefühl begleitenden
Empfindungen sind Schmetterlinge im Bauch,
eine warme Empfindung im Herzen. Dieses Gefühl
kennt wahrscheinlich fast jeder Mensch. Es tritt in
aller Heftigkeit in der ersten Zeit einer frischen Beziehung
auf, kann sich vertiefen in den ersten Monaten
und wird dann häufig mit Liebe verwechselt. Verliebtheit
entsteht durch das schnelle Überwinden von Distanziertheit.
Sich so schnell nahe zu kommen, sich
vertraut zu werden, sich dem anderen in Teilen so zu
öffnen ist ein unglaublich schönes Gefühl. Es ist gut,
dieses Gefühl zu erleben, es macht Mut und Motivation
für die neue Partnerschaft. Es ist nur nicht mit
Liebe zu verwechseln.
d. Sexuelle Begierde und Lust. Den Anderen zu
begehren, Lust auf ihn oder sie zu haben, führen zu
innigen Momenten. Es ist nur nicht mit Liebe zu verwechseln.
e. Eifersucht. Manche Menschen denken, dass es ein
Zeichen von Liebe sei, wenn man eifersüchtig ist.
Wenn nicht, dann liebe man nicht, so die weit verbreitete
Aussage.
Eifersucht ist jedoch kein Ausdruck von Liebe. Sie ist
ein Ausdruck von Angst vor einer drohenden Abwertung
durch eine mögliche Trennung. Die Angst entsteht
durch Gedanken, wie Ich genüge meinem Partner
nicht mehr. oder Ich verliere ihn/sie. Das Auftreten
von Eifersucht ist somit ein Hinweis auf die
eigenen Ängste vor Selbstwertverlust, die bisher durch
die Beziehung in Schach gehalten wurden.
Schlussfolgerung
Partnerschaft hat vielfach mit Liebe nichts zu tun. Ich
sage weder, dass sie nie etwas mit Liebe zu tun hat,
noch, dass sie nichts mit Liebe zu tun haben sollte.
Ganz im Gegenteil: Sie sollte die Grundlage jeder
Partnerschaft sein. Sie ist absolut und vollkommen
notwendig dafür. Leider ist sie es nicht immer. Immer
dann, wenn wir eine Partnerschaft eingehen oder in
ihr verbleiben, um unsere Ängste in Schach zu halten
oder zu verdrängen, um Veränderung zu verhindern,
um unsere emotionalen Defizite auszugleichen, findet
keine Liebe statt, sondern die Partnerschaft wird egoistisch
instrumentalisiert. Es geht dann um meine
Bedürfnisse und mein scheinbares Wohl. Das verzweifelte
aneinander Klammern, um der feindlichen Welt
zu trotzen, hat mit Liebe nichts zu tun, sondern mit
Angst.
Findet Liebe statt, geschieht Wahrheit, geschieht Entwicklung,
geschieht Veränderung. Die dabei auftretende
Angst hat Raum da zu sein. Veränderung geschieht
in der Partnerschaft und durch die Partnerschaft.
Die Partnerschaft fließt und befindet sich in
ständigem Wandel. Sie ist in jedem Moment aktuell
und völlig neu. Darin liegt die Chance für eine viel
größere Beständigkeit der Partnerschaft, als in allem
Konstruieren, allen Konventionen und allem Festhalten
und Zementieren.
2. Teil: Was ist Liebe?
Manchmal frage ich Menschen, die ich treffe, einfach
diese Frage: Was ist Liebe für Dich? Und erhalte erstaunliche
und zum Teil sehr tiefgehende Antworten:
Liebe ist die Fähigkeit, wahrzunehmen, was ist, ohne
es zu bewerten. Sie ist Barmherzigkeit mit den Verletzungen
des Anderen und dem daraus resultierenden
Handeln. Sie ist die Fähigkeit, bei eigenem Verletztwerden
nicht zu fliehen, sondern mit dem Partner
nach einer Lösung zu suchen, auch, wenn es weh tut.
Liebe ist kein Gefühl, sondern eine Fähigkeit
Tatsächlich ist die Liebe kein Gefühl, sondern eine
Fähigkeit. Im ersten Abschnitt ist deutlich geworden,
welche Gefühle und Empfindungen mit Liebe verwechselt
werden. Ich mache noch einmal deutlich:
Egal, wie viele schöne Gefühle Sie für einen Partner
haben, es bedeutet nicht, dass Sie wirklich lieben. Das
kann es bedeuten, weil diese schönen Gefühle mit
Liebe einhergehen, aber Sie können es nicht aus den
Gefühlen ableiten.
Liebe ist eine Haltung zum Leben und zum anderen
Menschen. Und sie ist eine Haltung zu sich selbst. Ob
wir lieben, erkennen wir daran, wieweit wir liebevolle
Haltungen täglich konsequent umsetzen.
a. Liebe erwartet nichts. Liebe ist, wenn ich gebe,
ohne etwas dafür zurück zu erwarten. Liebe ist, wenn
ich keine Resonanz, keine Erwiderung brauche, um zu
lieben. Dieser Punkt ist sicherlich der am schwersten
zu Verstehende. Vielleicht denken Sie: Wie soll es gehen,
wenn ich jemanden liebe und nichts zurück bekomme? Bin ich
dann nicht die ganze Zeit unglücklich verliebt? Ja, wenn Sie
verliebt sind, ist die Erwartung einer Antwort tatsächlich
ein Teil davon. Bei Liebe ist das nicht der Fall.
Eine Mutter liebt ihr Kind, obwohl das in den ersten
Monaten fast nichts zurückgibt. Ein Vater liebt seinen
schwer geistig behinderten Sohn, obwohl dieser fast
nichts zurückgeben kann. Eine Tochter liebt ihre demente
Mutter, obwohl diese sie nicht mehr erkennt.
Das mag vielleicht sein, aber wie soll so Partnerschaft gehen?
Es geht. Nichts zu erwarten eröffnet in Ihnen einen
Raum und eine Sensibilität für das, was in diesem
Moment geschehen könnte.
Stellen Sie sich vor, Sie begegnen Ihrem Partner/Ihrer
Partnerin komplett ohne Erwartungen. Ohne Vorstellung
was geschehen sollte, was schön wäre, was Sie
unternehmen wollen. Bevor Sie sie/ihn treffen machen
Sie sich vollkommen leer davon. Und dann achten
Sie darauf, wie Sie sensibel mit der Situation sind,
die gerade da ist; wie Sie vielleicht etwas völlig Neues
entdecken; wie etwas Überraschendes entsteht (siehe
dazu Methode Nr. 7: Die Partnerschaft aktuell halten).
Vielleicht fragen Sie sich: Was ist mit meinen Bedürfnissen?
Wenn ich keine Erwartungen haben darf, wie werden dann
meine Bedürfnisse gestillt? Verwechseln Sie an dieser Stelle
nicht Liebe mit Partnerschaft. In der Partnerschaft
gibt es Absprachen und Regeln, die die zwei Menschen
miteinander aushandeln. Und es ist ein wesentlicher
Bestandteil der Partnerschaft darauf vertrauen
zu können, dass diese Vereinbarungen auch eingehalten
werden. Dieses Vertrauen in den anderen ist eine
wesentliche Grundlage für Geborgenheit in der Partnerschaft.
Doch Menschen versuchen mehr zu erwarten, zum
Beispiel, dass der andere nur einem selbst gehört, ganz
für einen da ist, einem dies und das und jenes gibt,
wenn er das nicht tut, liebt er mich nicht, wenn sie jenes
macht, dann liebt sich mich nicht. So wird die (scheinbare)
Liebe zu einem ausgehandelten Gut.
Und was ist mit dem Gedanken: Werde ich da nicht ausgenutzt?
Wenn ich so liebe ohne etwas zurück zu erwarten,
kann es nicht passieren, dass ich ausgenutzt werde? Es ist
nicht möglich, ausgenutzt zu werden, wenn man gibt,
ohne Gegenwerterwartung. Das Geben ist dann völlig
freiwillig. Es folgt keiner Forderung und keinem
Zwang. Sowie Sie sich ausgenutzt fühlen, liegt eine
Gegenwerterwartung vor. Diese kann zum einen tatsächlich
an den Partner gerichtet sein (und ist leichter
zu entdecken) oder sie kann an sich selbst gerichtet
sein, d.h. indem ich so selbstlos gebe, bin ich ein guter
Mensch. Diese zweite Form der Gegenwerterwartung
basiert auf der Annahme, dass das Leben einem Glück
schuldig ist, wenn man gute Dinge tut (Weil ich ein guter
Mensch bin, muss ich doch auch mal Glück haben.). Tritt dies
trotz des vielen selbstlosen Gebens nicht ein, fühlt
man sich betrogen. Diese Form ist sehr viel schwerer
zu entdecken. Sie ist Teil der eigenen Selbstwertkonstruktion
(siehe Methode Nr. 1: Der Wert, der ich bin, ab
Seite 6).
b. Liebe ist Barmherzigkeit mit den Schwächen
des Anderen. Der Begriff der Barmherzigkeit ist leider
stark religiös aufgeladen und wird vielfach mit
einer unerträglichen Heiligkeit assoziiert. Wenn sie
sich gar nicht wirklich an den anderen Menschen richtet,
sondern aus egoistischen Motiven entspringt und
zur eigenen Selbstwertsteigerung benutzt wird, ist sie
nur schwer auszuhalten und völlig kontraproduktiv.
Diese Art ist hier nicht gemeint.
Tatsächliche Barmherzigkeit entspringt einem tiefen
Verstehen für das Denken, Fühlen und Handeln des
Anderen; einem Verstehen, das anerkennt, dass das
Leben ganz schön schwer ist, dass Leiden da ist, dass
Unvollkommenheit, Schmerz und Angst da sind. Und
dieses Verstehen enthält ein Nicht-Beurteilen von all
dem, was da ist. Tatsächliche Barmherzigkeit für andere
entspringt der Barmherzigkeit mit sich selbst. Ohne
Annehmen dessen wie ich bin, mit allem, was an Unvollkommenem
da ist, gibt es kein Annehmen des Anderen,
so wie er ist. Tatsächliches Barmherzigsein ist auf eine
Art bescheiden und kaum sichtbar, dass man spürt,
hier nimmt mich jemand wirklich an, hier darf ich so
sein, wie ich bin. Wenn das geschieht, findet Heilung
statt. Tatsächliche Barmherzigkeit enthält kein Sichdrüber-
stellen, keine gefühlte und sei sie noch so
kleine Überlegenheit, sie entspringt keinem religiösen
Dogma, keinem Vorsatz, keiner auswendig gelernten
Haltung. Barmherzig sein, macht den, der es ist,
nicht größer, sondern immer gleich groß. Es ist eine
Begegnung auf Augenhöhe, die dem anderen Raum
lässt, Freiheit zu wählen und, die keine Dankbarkeit
erwartet.
Tatsächliche Barmherzigkeit ist eine Grundfähigkeit
von Liebe.
Schlussfolgerung
Führt Liebe zu Partnerschaft? Ist das eine ohne das
andere undenkbar?
Im Idealfall tut sie das, doch in der Realität scheitert es
allzu oft an unseren Ängsten. Menschen, die zu mir
kommen, berichten immer wieder, dass sie vor der
Intensität und Geschwindigkeit Angst haben, die in
Partnerschaften mit wirklicher Liebe da ist. Wirkliche
Liebe führt zu Ehrlichkeit und Wahrheit, so dass
Entwicklung, persönliches Wachstum, Frei-werden
einfach geschieht. Diese Intensität entspricht nicht
dem konventionellen Bild davon, wie Liebe und Part-
nerschaft sich angeblich entwickeln sollten. Wir glauben,
es geschehe etwas Unnatürliches, Gefährliches,
etwas, das uns überwältigen könnte. Wir schrecken
zurück, ziehen das Kleinere, Mittelmäßigere vor, leben
Konventionalität.
Liebe führt zu Wahrheit. Wahrheit meint, dass sich
und den anderen immer mehr entdecken und erkennen.
Manchmal kann Liebe auch dazu führen, dass man
einen Menschen bewusst loslassen und frei geben
muss. Das Festhalten und Klammern, die Eifersucht
und das Auf-ewig-mein sind Ausdruck der eigenen
Angst vor dem Verlust des Anderen (dessen Anwesenheit
unsere eigene Angst in Schach halten kann).
Wenn der Andere jedoch unter der Partnerschaft leidet,
darin nicht die Freiheit und Wahrheit finden
kann, die er unbedingt braucht, ist es ein Akt der Liebe
zu gehen. Man geht dann nicht aus Rache, aus
Verletzung oder aus Eigenschutz, sondern aus der
tiefen Gewissheit, dass das eigene Gehen mehr Freiheit
für den anderen bedeutet. Dieser Schritt ist umso
größer, als der andere diesen Schritt meist nicht verstehen
kann, sich zurückgewiesen und gekränkt fühlt.
Die Erkenntnis, dass eine Trennung aus Liebe heraus
zum eigenen Frei-werden beitragen kann, kommt bei
dem Getrennten meist erst nach Jahren.
Liebe führt also nicht immer zu Partnerschaft,
manchmal sogar zum Gegenteil
3. Teil: Praktische Konzepte zur Erweiterung
der eigenen Liebesfähigkeit
Wirklich zu lieben verlangt uns etwas ab, das so groß
und schwer ist, dass wir davor verzagen könnten und
uns mit weniger zufrieden geben. Das, was geschieht,
wenn wir wirklich zu Lieben beginnen, ist so schön
und es geschieht soviel Gutes im eigenen Leben und
dem der Menschen, die mit uns in Berührung kommen,
dass Sie es nicht mehr missen möchten, wenn es
einmal da ist. Es braucht jedoch den konsequenten
Schritt, es zu tun; zu forschen, wie Liebe für uns geht,
wie es für uns wahr werden kann und wie es für uns
im Alltag ganz praktisch geht.
Der dritte Teil des Essays möchte Ihnen Methoden
und Werkzeuge an die Hand geben, die zu mehr Liebensfähigkeit
und zu wirklicher Partnerschaft führen
können. Er gliedert sich in zwei Teile: (a) die eigene
Vorbereitung und (b) die Haltung zum Partner.
Manchmal kommen Klienten nach einiger Zeit enttäuscht
wieder und sagen: Ich dachte, dass mir das nie
wieder passieren würde. Ich hatte doch alles so genau verstanden
und alles war so klar. Und auf einmal geschieht der gleiche, alte
Kram wieder. Gibt es nicht einen Schalter, den ich einfach
umlegen kann? Ja, es kommt alter Kram wieder und
das eigene Leiden hört nicht schlagartig auf. Nein, es
gibt keinen Schalter, nach dessen Betätigung die Liebesfähigkeit
ein für alle Mal installiert ist und nie wieder
weg geht. Und auch wird es nicht so sein, dass Sie
nie wieder leiden werden oder jede Partnerschaft gelingt.
Der Weg funktioniert anders: es ist eine Entscheidung
in jedem Augenblick, insbesondere, wenn es gerade
schwer ist und weh tut, nicht in die alten Muster und
Reaktionsweisen zurück zu gehen, sondern das Neugelernte
zu probieren. Und die Verlockungen sind
groß, da die Wirkung des Alten und Vertrauten bekannt
ist. Diese Entscheidung müssen Sie jedes Mal
erneut treffen.
Die eigene Vorbereitung
Methode Nr. 1: Der Wert, der ich bin
Eine Grundlage des menschlichen Handelns ist die
Erschaffung und Erhaltung des eigenen Werts. Sie
können, wo auch immer Sie hinschauen, jedes Verhalten,
jede Haltung, jede Streben, alles Tun auf eine
einzige Variable zurückführen: welcher Wert bin ich?
Die Zugangsfrage zu dieser Analytik ist: Wie konstruiert
der Mensch seinen Wert? Dieser Aspekt soll
hier nur kurz ausgeführt werden, weil er rahmensprengend
ist. Ich unterteile grundsätzlich in zwei
Arten von Wert: (a) der Seins-Wert und (b) der Soseins-
Wert. Der Seins-Wert ist der Wert, der ein
Mensch ist, einfach, weil er ist. Er ist der grundlegende
Wert allen Seins. Dieser Wert wird von uns Menschen
nahezu nicht erkannt und anerkannt. Der So-seins-
Wert wird konstruiert über: Ich bin wert, weil ich so ...
bin. Ich bin Wert, weil ich mächtig bin, weil ich Geld
habe, weil ich in diesem und jenem gut bin. Ich bin ein
guter Maler, ein guter Geschäftsmann, eine gute Mutter,
eine erfolgreiche Schriftstellerin. Ich bin wert, weil
ich schneller laufen kann, als andere, weil ich besser
kochen, singen, tanzen, ringen, Gewichte stemmen
kann als andere. Ich bin wert, weil Leute auf meine
Meinung wert legen, weil sie mir zuhören, weil sich
niemand traut, mir zu widersprechen. Ich bin wert,
weil ich alles genau so mache, wie es die Gesellschaft
verlangt. Ich bin wert, weil ich geliebt werde.
Unser ganzes Streben richtet sich darauf aus, unseren
Wert in einem besser-sein-als zu finden, festzuhalten,
auszubauen usw. Dieses Besser-sein-als muss sich
nicht in offenem Vergleich oder Konkurrenzkampf
ausdrücken, es kann auch ein Vergleichen mit sich
selbst, mit den eigenen Ansprüchen oder Wunschvorstellungen
sein: Ich bin wert, weil ich so bin, wie ich werden
wollte. Ich bin religiöser, spiritueller, erleuchteter. Ich weiß, wie
die Welt geht. Die Wertkonstruktionen sind so mannigfalitig
wie es Menschen gibt.
Unser Leid entstammt der ständigen Bedrohung unseres
So-seins-Wertes. Solange ich meinen Wert aus
einem So-sein ableite, also aus etwas, dass in der äußeren
Welt existiert oder den Vergleich mit der Außenwelt
braucht, solange ist auch dieses So-sein gefährdet.
Denn etwas, dass in der Außenwelt ist, kann zerstört,
verändert oder weggenommen werden. Wertkonstruktionen
die auf So-sein basieren sind ihrer Natur nach
leidvoll. Es gibt in der Außenwelt nichts, dass von
Dauer ist, dass sich nicht ständig verändert, entsteht
und auch wieder auflöst. Egal, wie sehr wir versuchen,
unsere So-seins-Konstruktion zu sichern und zu zementieren,
es wird uns nicht gelingen. Die gesellschaftlichen
Systeme und die eigenwilligen Praktiken
der Menschen, z.B. durch Anhäufung von Geld oder
Macht, oder die festgelegten Konventionen von Partnerschaft
sind Ausdruck solcher Versuche.
Angst ist die unbedingte Folge von So-seins-Wertkonstruktionen,
denn sie ist die Folge der realen oder
hypothetischen Gefahr einer Vernichtung unseres
Wertes.
Wie ist nun die eigene Liebesfähigkeit damit verknüpft?
Auf zweierlei Art und Weise:
(a) Partnerschaft und das, was mit Liebe verwechselt
wird, wird zur Wertkonstruktion verwendet. Die
nichts erwartende Liebe geht nicht einher mit einer
Selbstwertkonstruktion über eine Partnerschaft, da
diese Selbstkonstruktion auf Festhalten beruht und
nicht auf Freiheit.
(b) Zum anderen ist die Entwicklung von Barmherzigkeit
mit Angst nicht möglich. Die Angst vor der
Vernichtung eines meiner So-seins-Werte, ermöglicht
mir keine tatsächlich barmherzige Haltung.
Die erste Methode zur (Weiter-)Entwicklung unserer
Liebesfähigkeit ist daher das Aufspüren (mit detektivischer
Findigkeit) unserer So-seins-Wertkonstruktionen.
Einmal dafür sensibilisiert, werden Sie zunächst
belustigt und später entsetzt sein, über welch
kreative Vielfältigkeit von Wertkonstruktionen Sie
verfügen:
der Beste Hinweis auf eine So-seins-Wertkonstruktion
ist Angst. Immer, wenn Sie Angst verspüren,
können Sie sich fragen: Was ist die Gefahr?
oder genauer Welche Wertkonstruktion von
mir ist gerade gefährdet?
Betrachten Sie, ohne sich zu verurteilen, wie Sie
Ihren Selbstwert konstruieren, und wie Sie dafür
die Außenwelt (ge-)brauchen.
Schauen Sie dann, wie Sie üblicherweise auf diese
Gefährdung Ihres So-seins-Wertes reagieren
würden. Diese Reaktion ist meist ein Zurückdrängen
des Auslösers, also eine Handlung in
der Außenwelt.
Dieser Erkenntnisprozess ist erst einmal völlig ausreichend.
Methode Nr. 2: Barmherzigkeit
Die Notwendigkeit der Entwicklung von echter
Barmherzigkeit ist bereits im Abschnitt Liebe ist kein
Gefühl, sondern eine Fähigkeit, ab Seite 4 beschrieben.
Die praktische Entwicklung von Barmherzigkeit hat
drei Grundannahmen:
(a) Barmherzigkeit ist liebevolle Güte gegenüber den
Fehlern des anderen.
(b) Barmherzigkeit braucht die Erkenntnis, dass das
Verhalten des Anderen seinem Leiden entspringt und
Ausdruck seines Leidens ist. Es ist der verzweifelte
Versuch, sein eigenes Leiden zu verringern oder zurückzudrängen.
(c) Man kann nur soweit barmherzig mit anderen sein,
wie man mit sich selbst barmherzig ist.
Um tatsächliche Barmherzigkeit zu entwickeln brauchen
Sie eine Situation, in der jemand bei Ihnen
Schmerz, Angst, Wut, Ärger, Zorn oder irgendeine
andere ablehnende Emotion auslöst:
Gehen Sie nun nicht in Ihre gewohnte Reaktion
der Zurückweisung, Rache oder Verdrängung
hinein, sondern gehen Sie mit aller noch vorhandenen
liebevollen Güte zum anderen und
versuchen Sie zu verstehen, aus welchem Leiden,
aus welcher Not heraus, der andere sich
gerade so verhält. Das ist manchmal gar nicht
so einfach, vor allem, wenn der andere selbst
gerade in Rache ist und sich scheinbar freut,
dass es ihm/ihr gelungen ist, Ihnen weh zu tun.
Fragen Sie sich: Woran leidet dieser Mensch,
dass er sein Leiden damit zurückdrängen muss,
indem er mir weh tut? und weiter Welcher
Wert (welche Selbstwertkonstruktion) ist bei
diesem Menschen gerade bedroht?.
Ihr eigener Schmerz ist dabei weiterhin da. Sie
verweigern dem Schmerz lediglich, sich in einer
Handlung Ausdruck zu verschaffen.
Beobachten Sie, was mit Ihrem Schmerz geschieht,
wenn Sie mit Ihrer barmherzigen Haltung
ganz beim anderen sind. Und was geschieht mit
dem Anderen?
Möglicherweise hat der Partner in seiner Kindheit die
Scheidung seiner Eltern miterlebt und für sich aus
dieser traumatischen Erfahrung ein Konstrukt abgeleitet:
Es muss in der Partnerschaft absolut stimmen
und darf nicht zum Streit kommen. Jede Unstimmigkeit
berührt dieses Trauma und muss sofort behoben
werden, notfalls durch Trennung. Die zukünftige
Partnerwahl dieses Pärchens wird vermutlich dadurch
geprägt sein, dass beide versuchen, Partner zu wählen,
die sich äußerlich deutlich von den früheren unterscheiden,
in der Hoffnung, dass die neuen Partner
nicht mehr an die eigenen Traumata rühren. Unter
Umständen wird es ihnen gelingen, durch immer skurriler
werdende Partnerschaftskonstruktionen, die Berührung
mit dem Trauma weitestgehend zu vermeiden.
Letztendlich ist das jedoch nicht sinnvoll, weil die
dafür aufgewandte Energie und das durch die Vermeidung
entstehende Leiden ungleich höher sind, als
die tatsächliche Angst.
Geschichtslos zu werden, bedeutet nicht, dass Sie Ihre
Erinnerungen verdrängen oder verlieren sollen. Sie
sollen auch nicht Ihr Erfahrungslernen ignorieren.
Insbesondere bei realen Gefahren ist das zukünftige
Vermeiden sinnvoll und notwendig. Geschichtslosigkeit
geht um die Reduktion des Einflusses von Traumatisierungen
und Verletzungen auf die zukünftigen
Wahlmöglichkeiten. Es fordert die Lösung und Aufklärung
dieser Verletzungen und fördert das Heil werden.
Geschichtslosigkeit erweitert Ihre Wahlmöglichkeiten
und kann zu wunderbarem, sich tief Einlassen
auf einen anderen Menschen führen.
Wenn Sie ein tiefer gehendes Verständnis von dem
Konzept der Geschichtslosigkeit bekommen möchten,
lesen Sie das Buch Der Zahir von Paolo Coelho, ein
wunderbarer Roman um Liebe und Partnerschaft.
Die Haltung zum Partner
Methode Nr. 4: Trennung von Auslöser und Ursache
Wenn Sie ein Auto haben, dessen Stoßdämpfer schon
ganz verrostet sind, das aber auf glatt geteerten Straßen
noch ganz unauffällig gefahren ist und Sie fahren
damit auf einmal über einen Feldweg und die Stossdämpfer
zerbrechen. Ist dann der Feldweg schuld?
Dieses Beispiel zeigt, wie wir allzu häufig mit unseren
Partnern und Mitmenschen umgehen. Wir tragen alte
Verletzungen in uns herum und versuchen, möglichst
5 Die Angst, die in einem Trauma entstanden ist, wird als absolut
vernichtend erlebt. Sie ist meist so gut geschützt, dass sie zu einem
Grundpfeiler der Persönlichkeit wird und die Vermeidungsreaktionen
völlig automatisiert laufen. Das Zulassen dieser Angst ist
nicht einfach und sollte in geschütztem Rahmen und schrittweise
geschehen.
nur auf geraden, glatt geteerten Strassen zu fahren,
damit diese Verletzungen nicht zum Vorschein kommen.
Das wir dadurch natürlich die schöne Natur
abseits der Strassen verpassen, liegt nahe. Lassen wir
uns dann doch mal darauf ein, etwas abseits der vertrauten
Strasse zu fahren und berührt dann etwas
diesen alten Schmerz, wer ist dann schuld?
Er ist schuld, dass es mir so schlecht geht. --- Sie
hat mich verletzt und ist verantwortlich dafür, dass ich
jetzt leide. Tritt dieses Verletzt-sein wirklich nur in
dieser spezifischen Situation mit diesem einen Menschen
auf, oder würden diese Situationen mit einem
anderen Partner ähnlich erlebt werden?
Worauf ich mit dieser Frage hinaus will, ist, dass die
Anlage, die Voraussetzung für unser Leiden meist
bereits in uns liegt und durch äußeres Verhalten von
anderen Menschen oder der Welt im Allgemeinen nur
ausgelöst wird. Auslöser und die Aktivierung innerer
Leidensanlagen werden in unserem Kulturkreis nicht
getrennt betrachtet. Wenn Leiden auftritt, dann muss
der Auslöser weg, das heißt wir setzen alles daran, dass
die leiden-auslösende Situation aufhört. Diese Reaktion
ist bei realen Gefahren durchaus sinnvoll. Wenn
man sich die Hand an der Herdplatte verbrennt,
nimmt man natürlich die Hand von der Platte weg.
Doch wie ist es bei Leiden, das auf nichtobjektiven
Gefahren basiert? Was, wenn der Partner etwas in mir
berührt, dass ein altes Trauma aufwühlt; etwas, dass
ich seit Jahren erfolgreich vermieden habe? Ist dann
wirklich die beste Lösung, den Auslöser des Schmerzes
wegzustoßen? Vielleicht gelingt es mir damit, den
Schmerz zu verringern. Die Ursache für das Leiden
löse ich damit nicht.
Wenn es uns gelingt, den Schmerz, den der andere
auslöst, als unseren zu betrachten, dann kann eine
völlig neue, liebevolle Situation entstehen, in der der
Partner nicht der Schuldige ist und durch Verletzungen
und Zurückweisungen auf Distanz gebracht
werden muss. Sondern er kann als Unterstützer und
vertrauter Zuhörer und Mitfühlender da bleiben, kann
verstehen helfen und selbst verstehen, wie er zum
Auslöser wurde und was die traumatischen Grundlagen
sind. Auf einmal entsteht eine ganz andere Partnerschaft,
in der es nicht mehr um Schuld, Verteidigung
und Nicht-Verstehen geht.
Das geht, indem wir in den täglichen Situationen des
Leidens kurz anhalten, bevor wir zurückschießen:
Sie spüren, Ihr Partner hat einen Knopf gedrückt
und Sie erkennen, dass Sie jetzt wieder
einmal Ihre übliche Reaktion darauf zeigen wollen.
Geben Sie sich 10 Sekunden Zeit und forschen
Sie in sich nach, was ist die Ursache (nicht der
Auslöser) für Ihren Schmerz.
Wenden Sie sich dann Ihrem Partner zu und
sagen: Dieses und jenes Verhalten, dass du gerade
gezeigt hast, hat bei mir einen unfassbar
großen Schmerz/ diese und jene Angst/ Wut/
Ärger ausgelöst. Es tut so weh, dass ich am
liebsten ganz viel Abstand zwischen dich und
mich bringen möchte, damit du nicht mehr an
diesen Schmerz rühren kannst. Ich möchte das
aber nicht tun, weil ich erkenne, dass die Ursache
für den Schmerz ganz woanders ... hier und
dort liegt. Ich würde dir gern davon erzählen.6
Es gibt eine Einschränkung für das soeben gesagte:
wenn dieser Schmerz tatsächlich von Ihrem Partner
verursacht wird, wenn Ihr Partner Sie schlägt, unterdrückt,
dominiert, übergeht oder Ihnen in sonst einer
Art Gewalt antut; in diesem Fall liegt Ihrem Gefühl
eine reale Gefahr zu Grunde. In diesem Fall machen
Sie das, was man bei realen Gefahren macht. Sie wehren
sich. Hand von der Herdplatte. Partner von weiterer
Täterschaft abhalten. Hier geht es im schlimmsten
Fall nicht mehr darum, dem Partner zu helfen, sondern
nur noch darum, zu verhindern, dass er Ihnen
weiter Gewalt antut. Es hat nichts mit Liebe zu tun,
Gewalt auszuhalten, auch dann nicht, wenn Sie die
Beweggründe des Partners verstehen können.
Methode Nr. 5: Den Liebesausdruck des anderen
erkennen
Die Art, wie wir unsere Liebe und Zuneigung zum
Ausdruck bringen, ist zwischen den Menschen sehr
unterschiedlich und häufig genug auch sehr unbeholfen.
Es ist leider in unserer Gesellschaft nicht sehr
verbreitet zu lernen, wie Zuneigung und Liebe ehrlich
ausgedrückt wird. Wir lernen aus Filmen und Büchern
und von unseren Eltern, und lernen doch nur die
alten, romantisierten Konventionen. Echter Liebesausdruck
muss nichts mit Blumen, Abendessen
beim Kerzenschein und Paris bei Nacht zu tun haben.
Es kann sein, dass der Partner seine Liebe über seine
Aufmerksamkeit ausdrückt, über sein Zuhören, durch
Kochen, durch eine Blume vom Wegrand, durch den
Wunsch, gemeinsame Zeit zu haben, durch Nähe
zulassen und vieles mehr.
Die Schwierigkeit in vielen Beziehungen liegt darin,
dass man selbst bestimmte Vorstellungen von Liebesausdruck
hat und es einem manchmal schwer fällt
in dem Verhalten des Anderen die Liebe zu erkennen.
6 Natürlich sagen Sie es in Ihren eigenen Worten.
Je mehr ein Mensch traumatisiert und verletzt ist,
desto verhaltener und manchmal skurriler wird sein
Liebesausdruck. Gelingt es mir, die Liebe hinter dem
Verhalten zu sehen, kann ich weich werden für den
anderen, muss das Verhalten obwohl es mich vielleicht
verletzt oder mir nicht genügt nicht abwerten.
Erst dann ist Kommunikation über das eigene Erleben,
über gemeinsame Formen des Liebesausdruckes
möglich.
Sprechen Sie gemeinsam über Ihren Liebesausdruck.
Vermitteln Sie dabei die Wirkung des Liebesausdruckes
Ihres Partners auf sich und hören
Sie zu bei der Wirkung, die Ihr Liebesausdruck
beim Partner hat.
Einigen Sie sich darauf, welchen Liebensausdruck
des Partners Sie möchten und welche
nicht und umgekehrt.
Es ist in Ordnung, wenn man den Liebesausdruck des
Partners nicht mag oder wenn der eigene nicht gemocht
wird. Es ist kein Zurückweisen des Partners,
wenn man mit dessen Liebesausdruck nicht zurecht
kommt. Durch das Sprechen darüber entstehen zudem
neue Möglichkeiten des Ausdrucks.
Methode Nr. 6: Nicht manipulieren, keine Zitate,
sondern echt sein
(a) Manipulation meint die gezielte, jedoch verdeckte
Einflussnahme, somit alle Prozesse, die auf eine Steuerung
des Erlebens und Verhaltens eines anderen Menschen
abzielen und diesem verborgen bleiben soll. (b)
Zitat ist hier nicht ein Sinnspruch verstanden, sondern
als das Verwenden von bestimmten gesellschaftlichen
Bilder, Normen, Konventionen oder Symbolen. Solche
Zitate in der Liebe sind u.a. rote Rosen, Candle-
Light-Dinner, eine weiße Kutsche mit weißen Pferden
und vieles mehr. Die Wirkung eines Zitats entfaltet
sich nicht nur über die Handlung an sich, sondern
über den gesellschaftlichen Bedeutungsgehalt, der mit
ihr verbunden ist. Es ist mit Sicherheit angemessen
und mit Rücksichtnahme auf die Mitmenschen sinnvoll,
gesellschaftliche Gepflogenheiten zu kennen und
angemessen anzuwenden, da man sich sonst ausgegrenzt.
In der Partnerschaft verhindern sie jedoch den
unmittelbaren Ausdruck und das echte, ursprüngliche
Handeln.
Eine mögliche Situation könnte sein, Sie küssen Ihren
Partner/Ihre Partnerin an einer bestimmten Stelle im
Nacken. Warum tun Sie das? Weil Sie wissen, dass
er/sie es mag; weil es dann vielleicht dazu führt, dass
Sie beide Sex haben; weil Sie gerade Zuwendung brauche
und er/sie mir diese gibt? Sowie irgendein zielge
richteter Gedanke in das Handeln hineinkommt, verliert
die eigentliche Handlung an Bedeutung. Sie ist
dann ein bloßer Bedeutungsträger, den der andere
Mensch zu entschlüsseln hat. Eine solche Handlung
ist eine Manipulation und ein Zitat.
Ein anderes Beispiel: Aus dem Kuss ist mehr geworden
und Sie landen miteinander im Bett. Gibt es in
Ihrem Kopf einen festen Ablauf? Was muss geschehen,
damit es erfolgreicher Sex war? Ist ein Orgasmus
das unbedingte Ziel? Wissen Sie, was Sie tun
müssen, um Ihrem Partner Lust zu verschaffen?
Jedes Bild in Ihrem Kopf, jede Ritualisierung zwischen
Ihnen beiden und jede absichtsvolle Handlung führt
dazu, dass Sie die Chance verpassen, etwas Ursprüngliches
zu tun, nämlich genau das, was zwischen Ihnen
beiden genau jetzt geschehen möchte.
Wenn Sie Ihren Partner oder Ihre Partnerin berühren,
dann lassen Sie diese Berührung ursprünglich
sein, ohne Absicht, ohne Wollen.
Lassen Sie völlig offen, was aus dieser Handlung
resultiert. Seien Sie sozusagen ergebnisoffen.
Folgen Sie nicht bestimmten Mustern, wie
Knutschen Streicheln Sex. Lassen Sie es
offen, ob Sie beim Sex einen Orgasmus haben
oder nicht.
Es gibt nichts zu tun!
Das Nicht-Manipulieren und Nicht-Zitieren verlangt
einem die ständige Bereitschaft ab, zu spüren, was
jetzt gerade in einem da ist. Man verlässt die Sicherheit
der vertrauten Handlungen. Dafür entdeckt man sich
und den anderen immer wieder neu, hält damit die
Partnerschaft aktuell.
Methode Nr. 7: Die Partnerschaft aktuell halten
Kennen Sie das: Sie erleben einen schönen Urlaub und
fahren im nächsten Jahr noch einmal hin, und es ist
nicht mehr schön? Sie haben einen Freund seit ewigen
Zeiten nicht mehr gesehen, treffen sich und wollen an
das alte Gefühl anknüpfen, aber das Treffen ist ganz
anders, irgendwie fremd?
Es gibt keine Wiederholungen im Leben. Alles ist
ständig neu, weil alles, was Sie erleben, Sie verändert.
Der Versuch der Wiederholung eines schönen Gefühls
muss scheitern, weil Sie nicht mehr derselbe/
dieselbe sind, wie damals, als es zum ersten Mal
auftrat. Der Erwartung, dass es beim zweiten Mal
genauso schön wird, wie beim ersten Mal, droht die
Enttäuschung. Man ist so fokussiert auf das Vergleichen
mit der ursprünglichen Situation bzw. mit ihrer
inneren Gefühlserinnerung, dass man nicht mehr
offen für das ist, was neu und schön in diesem Augenblick
passieren möchte.
In Partnerschaften versuchen wir durch Festlegen von
Regeln und Treffen von Absprachen ein bestimmtes
Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit dauerhaft zu
kultivieren und erhalten. In der Verliebtheitsphase
erlebt man viel Spontanes und es ist sehr schön. Beschließt
man, zusammen zu sein, versucht man, daran
anzuknüpfen. Dieses Anknüpfen ist bei alle Paaren
ganz unterschiedlich, die Absicht ist jedoch meist die
Gleiche: das schöne Gefühl soll irgendwie da bleiben.
Nun ist aber Partnerschaft ein Prozess. Der Versuch,
durch Rituale, Regeln und Wiederholungen einen
dauerhaften Zustand zu erreichen, muss und wird
regelmäßig scheitern. Häufig verlaufen Partnerschaften
in einer Art gezackter Wellenform. In der ersten
Phase entdeckt man sich neu. Darauf folgt eine Phase
von Harmonie. Die dritte Phase ist eine unterschwellige
Unzufriedenheit. Etwas stimmt nicht. Dann gibt es
als vierte Phase einen Krach, der entweder, einem
reinigenden Gewitter gleich, eine neue Phase des Sich-
Entdeckens einleitet, oder zu einer Trennung führt
(das ist der Zacken in der Welle). Die beiden Phasen
der Harmonie und der Unzufriedenheit können sich
unterschiedlich lang ausdehnen. Bei manchen Paaren
dauern sie Jahre oder Jahrzehnte, je nach dem, wie
groß das Bedürfnis nach Harmonie und die Fähigkeit
zur Unterdrückung der Wahrnehmung von Unzufriedenheit
ist. Je länger die Unzufriedenheit und das
Gefühl, das etwas nicht stimmt, verdrängt werden,
desto mehr Kraft bekommen sie und suchen dann
häufig Ausdruck in Form von Fremd-gehen. Der
Krach, der eigentlich nur eine Aktualisierung der Partnerschaft
sein soll, kann so zum Ende der Beziehung
führen.
Lebendige Partnerschaften sind dagegen in jedem
Moment neu. Die vier Phasen laufen nicht über lange
Zeiträume ab, sondern in regelmäßigen Abständen,
also jeden Tag oder jede Woche. Die Vorstellung,
jeden Tag oder jede Woche einen Krach zu haben,
scheint zunächst wenig verlockend. Tatsächlich ist
dieser Vorgang der Aktualisierung, je öfter er durchgeführt
wird, ziemlich klein und unauffällig. Häufig
reicht schon ein Satz, wie Das mag ich nicht. oder ein
klärendes Gespräch. Es stauen sich keine Unzufriedenheiten
an und es kann für jeden Zeitabschnitt eine
neue, passende Partnerschaftsqualität gefunden werden.
Es ist mit Worten nur sehr schwer zu beschreiben,
aber es fühlt sich so an, als ob man jede Woche
eine neue, andere Partnerschaft lebt. Nur die Vertrautheit
wächst stetig.
Die Partnerschaft aktuell zu halten ist eine der wirksamsten
Methoden, um eine dauerhafte Partnerschaft
hinzukriegen, die nicht halbherzig oder grausam ist.
Gehen Sie wie folgt vor:
Versuchen Sie nicht, Dinge zu wiederholen, um
einen erlebten Zustand noch einmal zu erzeugen.
Vermeiden Sie, etwas deswegen zu tun, weil es
schon mal einen angenehmen Effekt gehabt hat.
Entdecken Sie Ihren Partner jeden Tag neu. Wie
ist er/sie im Moment? Was gibt es zu entdecken?
Was finde ich gerade spannend?
Fühlen Sie nach, worauf Sie jetzt gerade Lust
haben, stimmen Sie das mit dem Partner ab und
dann machen Sie es.
Äußern Sie das, was Sie stört sofort. Dadurch
wird es weniger gewichtig und staut sich nicht auf.
Ich möchte hier kein Plädoyer für das Ausleben ständiger
Verrücktheiten halten. Auch geht es nicht um
eine Ablehnung aller Romantik. Rote Rosen sind auch
an sich nicht schlecht. Aber, es geht um die Haltung
dahinter. Wenn es aus dem Moment heraus geschieht
und in diesem Moment gerade passt, ist es wunderbar.
Ein Plädoyer für die Liebe
Der vorliegende Essay ist mit Sicherheit keine erschöpfende
Abhandlung über die Liebe, in allen ihren
Ausprägungen. Insbesondere andere Formen, wie
Freundschaftsliebe, Gottesliebe oder die familiäre
Liebe sind nicht berücksichtig worden, knüpfen jedoch
an den beiden Grundprinzipien (a) Geben ohne
Erwartung und (b) Barmherzigkeit ebenso an. Die
Differenzierung zwischen Partnerschaft und Liebe ist
mir besonders wichtig, weil sie aufzeigt, warum wir so
häufig in unseren Partnerschaften scheitern. Die Methoden
des dritten Teils sind Ansätze zur Selbstentwicklung
und könnten jede für sich ein eigenes Kapitel
sein. Verstehen Sie sie nicht als dogmatische Heilslehre,
sondern als praktische Anregung zum Experimentieren.
Der Autor arbeitet als Psychologe und Coach in
eigener Praxis.
Thomas Artmann
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53177 Bonn
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Email: th.artmann@gmx.de
Web: www.praxis-artmann.de
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Der Essay wurde im Rahmen des Projektes Autorenwerkstatt
erarbeitet und publiziert. Der Text kann in
elektronischer Form auf der Webseite gefunden werden.
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