Ich brauche dringend mal einen Rat von Aussenstehenen. Vielleicht hilft es mir, meine derzeitige Lage klarer und strukturierter zu sehen.
Ich bin eine Frau, 42 Jahre alt und seit fast 24 Jahren mit meinem Mann zusammen, davon 16 Jahre verheiratet. Wir haben 4 Kinder im Alter von 15, 12, 8 und 4 Jahren.
Unsere Beziehung war immer ein auf und ab. Es gab viele Verletzungen auf beiden Seiten, teilweile hatten wir auch wenig Respekt voreinander. Letztlich haben wir uns aber immer wieder zusammengerauft. Es geht nicht mit aber auch nicht ohne.
Die Frage, ob ich glücklich bin habe ich mir lange nicht gestellt. Ich war mit meinem Leben zufrieden.
Dann ist es passiert. Ich habe mich in eine Frau verliebt. Nie zuvor habe ich gedacht, dass mir das passieren könnte. Ich bin tolerant, mein Vater lebt schwul, ich kenne das ganze aus eigener Erfahrung. Jetzt ist mir das auch passiert.
Ich habe meinen Mann eingeweiht. Wir haben uns getrennt, wohnen aber noch zusammen in unserem Haus. Die beiden älteren Kinder wissen es auch. Ebenso wie ein paar Freunde und meine Eltern, die damit aber ein riesen Problem haben.
Ich spüre zum ersten Mal in meinem Leben echtes Verlangen beim Sex. Der Sex mit meinem Mann und auch mit anderen Männern war okay. Aber das, was ich da gerade mit meiner Freundin erlebe ist völlig neu, ich fühle mich wie ein Teenager.
Jetzt kommt aber das eigentliche Problem:
Ich wollte immer meine Familie mit allem Drum und Dran. Ich bin Scheidungskind und genau das wollte ich nie für meine Kinder. Ich bin auch meinem Mann immernoch sehr verbunden. Die gemeinsame Zeit, die gemeinsamen Kinder macht ihn zu einem sehr wichtigen Menschen in meinem Leben.
Ich fühle mich hin- und hergerissen in der jetzigen Situation. Mein Mann lässt ich abends zu meiner Freundin fahren. Und ich weiss, wie weh ihm das tut. Er hat noch die Hoffnung, dass ich feststelle, dass die Liebe zu der Frau nicht das Richtige für mich ist, und ich dann zu ihm zurückkomme.
Ich will ihm keine falschen Hoffnungen machen und das habe ich ihm auch gesagt. Wir reden ganz offen auch über den Sex mit ihr.
Ich habe große Angst vor der Zukunft. Ich weiss nicht, ob ich diesen Weg gehen kann, aus Angst, meine Kindern zu schaden. Aus Angst, mit dem gesellschaftlichen Druck nicht klar zu kommen. Aus Angst, irgendwann festzustellen, dass es ein Fehler war. Dann habe ich alles geopfert.
Meine Gefühle sind für mich oft nicht zu benennen. Wenn ich bei meiner Freundin bin fühle ich mich sehr wohl. Sie tut mir gut. Ich habe Schmetterlinge im Bauch. Dann ist für mich alles klar.
Wenn ich Zuhause bin, denke ich an mein altes Leben. Die Kinder die Familie. Die gemeinsame Vergangenheit, die Träume und Wünsche, die mein Mann und ich hatten.
Mein Mann wird im Frühling unser Haus verlassen und in eine eigene Wohnung ziehen. Er versucht, sich mit Chats über Kontaktbörsen abzulenken. Über Silvester hatte er eine Nacht mit einer anderen Frau. Das hat mir schon einen ordentlichen Stich versetzt. Ich weiss aber nicht, ob es Eifersucht ist oder eher das Gefühl, dass er noch mir gehört.
Wenn ich mir aber vorstelle, es noch mal mit meinem Mann zu versuchen, so geht es dabei mehr um die Kinder als uns als Paar. Er liebt mich und hat ich wahrscheinlich immer mehr geliebt, als ich ihn. Das Leben, wie es zum Schluss mit uns war möchte ich nicht wieder. Darin war zu viel Gleichgültigkeit. Unser Sex war auch nicht das Wahre, wobei das definitiv an mir lag. Ich hatte oft keine Lust und auch kein Verlangen danach. Ich dachte eine Zeit, dass ich einfach mit den Kindern total gestresst bin und einfach zu müde war. Ich habe Sex aber auch nie einen sehr großen Stellenwert eingeräumt. Ich dachte immer, ich bin hat nicht so ein sexueller Mensch.
Jetzt mit meiner Freundin ist das total anders. Ich kann oft die Finger nicht von ihr lassen.Der Sex mit ihr ist so neu und aufregend. Dort spüre ich Leidenschaft, die mir sonst gefehlt hat und die ic nur aus Büchern kannte. Da fühle ich mich gerade wie ein Teenager. Sie ist sich ihrer Sexualität vollkommen sicher und steht vollkommen auf Frauen. Sie lebt das auch offen.
Ich frage mich oft, ob das der Reiz des Neuen, des "verbotenen" ist oder ist das meine wahre Sexualität?
Und dann stellt sich auch die Frage, ist der Preis nicht zu hoch?
Ich hoffe, ich konnte mit diesem Beitrag meine Gefühle und meine Zerissenheit erklären. Ich wünsche mir Denkanstöße die mir in meinem Chaos weiterhelfen