Es gab und gibt schon immer Menschen, die aus allen möglichen Gründen andere Menschen zu allem möglichen beeinflussen wollen.
Es kommt aber auch drauf an, was du mit "feminiseren" meinst:
"Mannsein" und "Frausein" und damit auch "Feminisierung" und "Maskulinisierung" bzw "Virisierung" ("femina", lateinisch, heisst "Frau"; "vir", lateinisch, heisst "Mann") sind ja recht abstrakte Begriffe. Schon beim Klarlegen, was damit gemeint ist oder gemeint sein könnte, streiten sich die Leute.
Wenn zB ein Mensch mit XY-Gonosomen(=Geschlechtschromosomen) und biologisch-männlichem Phänotyp (männliche Geschlechtsmerkmale und keine weiblichen Geschlechtsmerkmale) gerne eine Frau wäre, was auch immer dieser Mensch mit dem Begriff "Frausein" verknüpft - kam dieser Wunsch dann durch "Feminisierung" zustande oder war der Wunsch schon immer da?
Wenn eine Ärztin so einen Menschen dann so behandelt, dass sein physischer Phänotyp sich immer mehr dem einer biologischen Frau angleicht - feminisiert sie ihn dann? Oder war dieser Mensch schon vorher feminisiert? Oder trifft keins von beidem zu und dieser Mensch war/ist halt so, wie er ist - ohne dass ein Prozess eine Rolle gespielt hätte, den man "Feminisiereung" nennen könnte? Kann man bei so einem Szenarium überhaupt von "Feminisierung" sprechen - "Feminisierung" etwa im Sinne von "Annäherung an das Frausein oder Übergang zum Frausein" was auch immer man darunter dann wieder verstehen will/soll?
Nähert sich so ein Mensch durch die körperlichen Veränderungen vielleicht gar nicht dem Frausein an, sondern nur dem Transgender-Frausein? Ist dieser Mensch dann eine Transfrau? Ist Transfrau-sein eine Form des Mannseins oder ist Transfrau-sein eine Form des Frauseins/eine Annäherung an das Frausein? Kann man Männer überhaupt "feminisieren" oder Frauen "maskulinisieren" bzw "virisieren", oder läuft alles, was man in der Richtung anstrebt, halt auf andere Arten des "Mannseins" bzw "Frauseins" hinaus?
Geht es bei dem Begriff "Feminisierung" um Veränderung/Übergang/Umwandlung? Falls ja: Geht es um die Änderung von Menschen und deren Selbst und deren Selbstverständnis? Geht es mehr um die Änderung der Lebensweisen und Verhaltensweisen von Menschen?
Zum Beispiel ist in den USA und den UK das Transgendern bei Jugendlichen ein Massenphänomen, und da gibts wohl auch etliche, die sich schon als junge Teenager/innen mit Hormonen behandeln und auch sonst alle möglichen ärztlichen Maßnahmen zur Änderung ihres Phänotyps an sich haben vornehmen lassen, und die sich gerne wieder "rückbauen" lassen würden - die entsprechende Massenbewegung heisst "detrans".
Kürzlich ging in den Medien ein Fall um, wo ein Vater sich aufgeregt und um Rat im Umgamg mit den Lehrer/inne/n gefragt hat, weil sein siebenjähriger Sohn von der Schule heimkam und erzählte, seine Lehrerin meine, er könne vielleicht transsexuell sein. Als er an dem Tag die Schule betrat, ging es ihm gut. Als er wieder heimkam, war er verwirrt und verunsichert. Wollte die Lehrerin die Kinder mit XY-Gonosomen und biologisch-männlichen Geschlehtsmerkmalen feminisieren?
Es gibt alle möglichen Leute. Es gibt natürlich auch Frauen, die es gerne hätten wenn sich ihre Kinder biologisch-männlichen Geschlechts mehr so verhalten würden wie sie sich das für Mädchen vorstellen.
Im Internat hatte ich zB einen Mitschüler, dessen Mutter in seiner frühen Kindheit immer wollte, dass er Kleidchen anzieht und mit Spielzeug spielt, das vom Klischee her eher Mädchen zum Spielen gegeben wird. Als die Ehe der Eltern zerbrach, blieb er beim Vater und landete im Internat, was er gut bzw anbetrachts seiner Möglichkeiten als das kleinste Übel empfand. Bei seiner Mutter fühlte er sich unwohl, denn er hatte das Gefühl, sie sei mit seiner Beschaffenheit nicht zufrieden und mache ihm das zum Vorwurf.
Aber die Debatte über Männlich/Weiblich und die Frage, wie das überhaupt aufzudröseln ist, ist schon alt.
Da gibt es zB dann auch die Frage, was man überhaupt meint, was "Feminisierung von Männern" bedeute.
Mir sind da mehrere Gedankengebäude begegnet:
- ZB das Gedankengebäude, dass Menschen von vorneherein sowohl eine "männliche" als auch eine "weibliche" Komponente in sich trügen ("trügen" ist Konjunktiv II von "tragen") und es nur darum ginge, welche dieser Komponenten die Persönlichkeit und das Verhalten dominiere.
- ZB das Gedankengebäude, dass man zur Feminisierung bzw Virisierung Komponenten des jeweils anderen Geschlechts hinzufügen und Komponenten des bei Geburt gegebenen Geschlechts entfernen müsse.
- ZB das Gedankengebäude, dass es darum gehe, das eine so in das andere umzuwandeln, dass die Umwandlung bewirke, dass das eine nicht mehr und dafür aber das vorher nicht vorhandene andere da sei.
- ZB das Gedankengebäude, dass es gar nicht um Umwandlung, sondern um bereits ohne Umwandlung mögliche Verhaltensschemata gehe.
Zum Beispiel im Hagakure des Samurai und späteren Mönchs Tsunetomo Yamamoto, das zwischen 1710 und 1716 entstanden ist, wird offenbar von dem Gedankengebäude ausgegangen, das ich grade als erstes beschrieben habe:
Dort gibt es einen Absatz über "verweiblichte Männer", in dem offenbar davon ausgegangen wird, dass Männer ihren männlichen Geist verlieren können, was dazu führe, dass sie sich dem Weiblichen annäherten. Wenn Männer die "männliche Komponente" verlören, bleibe also Weiblichkeit übrig. Woraus man schliessen kann, dass davon ausgegangen wird, dass Männer von vorneherein sowohl "männliche" als auch "weibliche" Komponenten haben.
Ich zitiere das mal - auch, weil die Maßstäbe, was er mit dem Attribut "männlich" bzw dem Attribut "weiblich" assoziiert, recht interessant sind:
*Verweiblichte Männer
Der Arzt Matsukumamae-no Kyoan soll gesagt haben:
»In der Medizin werden Männer und Frauen auf unterschiedliche Arten als positiv und negativ eingeteilt; der Puls eines Mannes ist auch verschieden von dem einer Frau. In den vergangenen fünfzig Jahren jedoch verschwand dieser Unterschied zwischen den Pulsen. Von diesem phänomenalen Wandel wachgerüttelt, begann ich beispielsweise, Augenkrankheiten der Männer wie solche von Frauen zu behandeln. Weil ich keine erfolgreiche Prognose bei männlichen Patienten stellen konnte, die ich mit Medizin für Männer behandelte, wurde mir klar, daß sie ihren männlichen Geist verloren hatten und in diesen verkommenen Tagen verweiblicht waren. Diese Tatsache behielt ich wie ein Geheimnis für mich.«
Also haben die meisten Männer heutzutage nachweislich den weiblichen Puls; nur wenige Männer schauen wirklich männlich aus. Das macht es für wirkliche Männer leicht, mit nur geringer Anstrengung den anderen vorauszueilen. Der Verlust männlichen Mutes wird auch an der Tatsache klar, daß Männer einen Kriminellen, dessen Hände auf dem Rücken zusammengebunden sind, nicht mehr köpfen können. Wenn es für einen Sekundanten desjenigen, der seppuku begeht, zum heiligen Dienst des kaishaku* kommt, gilt es heute als weise und angemessen, diesen Dienst trickreich zu verweigern. Vor vierzig oder fünfzig Jahren wurde ein Schnitt in die Lymphgefäße der Leiste als Einstieg ins Männerdasein betrachtet. Ein Mann schämte sich, seine Rippen anderen zu zeigen, wenn sie keine Schnittnarbe hatten, und zwar so sehr, daß manche Männer sich diese Schnittwunden selbst zufügten. All diese Dinge wurden für tapfer und Männern angemessen gehalten, während Männer heutzutage dazu neigen, sie als Ausdruck von Dummheit zu verurteilen, Angelegenheiten nur mit sanfter Zunge zu verhandeln und jede harte Anforderung zu meiden. Junge Menschen sollten diesen unglücklichen Trend sorgsam bedenken.
*kaishaku-nin heißt der Dienst des Sekundanten beim seppuku, das als harakiri bekannter ist. Um den Samurai von langen Todesqualen zu befreien, schlägt er ihm den Kopf ab. Meist wurde ein Freund oder Verwandter des Samurai um diesen Dienst gebeten.*