Die Realität sieht so oft ganz anders aus... aber ein bisschen Träumen sollte erlaubt sein. :roll:
Dieser Blick
Nele war anfang 20, hatte soeben erfolgreich ihre Ausbildung beendet und wollte nun im Job voll durchstarten.
Als sie damals den Raum betrat und sich bei allen kurz vorstellen musste, schweifte ihr Blick zu einer Frau. Nele schätzte sie ca. auf 30 Jahre. Ihre Blicke trafen sich und beide konnten nicht anders, als sich kurz anzulächeln. Was war denn das, dachte sich Nele und musste immer und immer wieder zu dieser Frau hinschauen, deren Lächeln einfach umwerfend war und deren Augen scheinbar ihre Seele widerspiegelte. Das war der Zeitpunkt, wo sie wusste, dass es ihr hier bestens gefallen wird.
Die ersten Wochen sollte sie erstmal Stück für Stück eingearbeitet werden. Wie es der Zufall so wollte, wurde ihr die Frau mit dem bezaubernden Lächeln zugewiesen. Grinsend kam sie auf Nele zu und stellte sich vor. Nele grinste ebenfalls, reichte ihr die Hand und meinte: Freud mich dich kennenzulernen Caro. Dabei schüttelten sie sich die Hände etwas länger als üblich und blickten sich dabei tief in die Augen. Nele hatte das Gefühl diese Frau schon ewig zu kennen und so ging sie gleich total vertraut mit ihr um. Eigentlich untypisch für sie, denn erste Tage sind für sie immer ein Albtraum, wo sie sich gerne ein bisschen zurück hält.
Seit einigen Monaten arbeitete sie nun und blühte förmlich dabei auf. Die Kollegen beobachteten sie gerne und staunten wie diese junge Frau frischen Wind in die Firma brachte. Sie war für alle nur der Sonnenschein, vor dem man sich jedoch in Acht nehmen sollte, denn sie war alles andere als auf den Mund gefallen. So hatte sie immer einen frechen Spruch auf den Lippen oder spielte ihren Kollegen kleine Streiche, über die viel gelacht wurde.
Doch alles mit dem Hintergedanken, die Aufmerksamkeit von Caro zu gewinnen. Es schien zu funktionieren, denn keiner der anderen Kollegen konnte so gut kontern und sie ebenfalls mit Streichen reinlegen. Zwischen den beiden stimmte die Chemie und das bemerkten auch alle anderen. Was allerdings niemandem weiter auffiel, war der stetige Blickkontakt der beiden. Nele liebte es, wenn Caro ihr dann auch noch verschmitzt zuzwinkerte oder aufgrund eines frechen Spruches sie gespielt böse ansah.
Irgendwann war es Nele nicht genug, nur mit ihr beruflich Kontakt zu haben. Sie wollte mehr! Sie suchte immer öfters das Gespräch mit Caro, wo sie ein bisschen was über sie herausbekommen wollte. Der erste Schock, sie war verheiratet. Der zweite, sie hatte 2 kleine Kinder. An diesem Abend ging Nele nach Hause und war verzweifelt. Jetzt war ihr so richtig bewusst, dass sie sich verliebt hatte, denn diese Nachricht traf sie mehr, als sie wollte. Was soll sie denn jetzt machen, fragte sie sich. Und vor allem, wie soll sie denn die Blicke deuten. Sind sie wirklich einfach nur auf einer Wellenlänge oder ist da vielleicht doch mehr. Nele kannte es schon sich in die falschen zu verlieben. Doch dieses Mal wollte sie alles riskieren und diese Frau erobern.
Nele hatte Charme, das wusste sie. Caro bekam ihn in voller Breite zu spüren und sie mochte Nele so sehr.
Nach einiger Zeit hatten beide zusammen einen Termin in einer anderen Stadt. Als sie dann auf dem Rückweg waren, begann Nele zu erzählen, fasste ihren Mut zusammen und sagte zu Caro: Ich stehe übrigens auf Frauen. Echt? Tust du? Nele musste schmunzeln, denn auch wenn sie sonst soviel Quatsch macht, so war das doch grad ihr ernst und was macht Caro, hinterfragt es ungläubig. Sie erklärte ihr, dass es ihr schwer fällt, es zu erzählen, da sie nur bei ein paar Freunden geoutet ist. Caro verstand es, konnte aber nicht viel dazu sagen, stattdessen überspielte sie ihre Unsicherheit und dieses so ernst begonnene Gespräch endete mit ein paar Späßen. Super dachte sich Nele, als sie zu Hause saß und über alles nachdachte. Dann musste sie aber auch wieder drüber lachen, denn das war irgendwie auch typisch Caro, so sensibel wie ein Stein, wenn man ihr was Wichtiges erzählt. Plötzlich bekam sie eine Mail von Caro. Aufgeregt öffnete sie diese und las. Dabei wurde sie noch nervöser und konnte kaum glauben was da stand. Zuerst bedankte sich Caro für ihr Vertrauen, denn sie war zwar überrascht, aber merkte schon, dass es Nele nicht einfach viel. Doch dann fragte sie, warum sie es ihr erzählte. Und erklärte ihr, dass sie dann so komisch reagierte, weil sie überlegte, ob sich Nele vielleicht in sie verliebt hatte.
Da hat sie aber ins Schwarze getroffen, dachte sich Nele und fand Caro dann doch nicht mehr so unsensibel. Ok, alles oder nichts, dachte sich Nele und schrieb zurück, dass Caro Recht hat, aber sie es niemals zugeben würde.
Nach ein paar Tagen sahen sie sich auf der Arbeit wieder und Nele war so nervös. Alles begann wieder wie am ersten Tag. Beide sahen sich tief in die Augen und wieder mussten sie einfach nur lächeln. Von den Kollegen bekam jedoch keiner etwas mit. So kam es, dass alle zusammen in der Pause rumblödelten und Caro eine Szene aus einem Film nachspielen sollte. Da Nele gerade neben ihr saß, musste sie sie nehmen und zog sie zu sich heran. Sowohl Nele als auch Caro spürten das Herzklopfen der jeweils anderen. Schnell lies Caro wieder los und beide sahen sich an und lächelten nur unsicher.
Sie mussten darüber reden. Also zog Nele sie in einer unbeobachteten Minute in einen leeren Raum. Sie kam direkt zum Punkt und fragte: Caro, was ist das zwischen uns? Du weißt, ich mag dich mehr als ich sollte. Ich weiß. Aber ich bin verheiratet und habe Kinder. Nele war mit dieser Antwort unzufrieden, denn das sagt erstmal nichts über die Gefühle zu ihr aus. Was ist, wenn ich den Kontakt zu dir abbreche?, fragte Nele. Das würde ich nicht wollen, denn ich mag dich wirklich sehr... Ich weiß nicht, was wir jetzt tun sollen. Wenn ich keine Chance habe, dann muss ich versuchen, die Gefühle für dich abzustellen. Ja, das wird das Beste sein. Somit gingen sie auseinander.
Nach einiger Zeit war alles so wie immer. Sie scherzten viel rum, genossen die Zeit miteinander und versanken regelmäßig in den Augen der anderen. Nur mit dem Unterschied, dass sie sich nun auch privat mal trafen und viel vertrauter miteinander umgingen. Nele lies Caro öfters spüren, dass sich ihre Gefühle nicht änderten. Doch Caro nahm darauf wenig Rücksicht. Stattdessen zeigte sie ihr nun auch, dass sie ihr wichtig ist und sie sie sehr schätzt. Es zog sich über ein Jahr hin und Nele machte es fertig. Sie zog sich mehr und mehr von Caro zurück. Diese merkte es und nun war sie es, die den Kontakt suchte. Manchmal kam es beiden so vor, als würde sie immer ein Band verbinden. Dieses Erahnen, wenn es der anderen schlecht ging oder auch das wortlose Verstehen empfanden sie oft als gruselig. Nele wusste seitdem, was Seelenverwandtschaft heißt.
Aber sie konnte nicht mehr. Ihr Leben drehte sich nun schon so lange nur um Caro. Bei der sie solange kämpfte und keine Chance hatte. Sie wollte sie vergessen. Sie wollte nicht mehr an sie denken. Sie wollte nicht zu Weihnachten und den ganzen anderen Festen alleine sein und wissen, dass der Mensch, den sie liebt zusammen mit Mann und Kindern feiert.
Den Job aufgeben, wäre falsch gewesen, denn so einen würde sie so schnell nicht wieder finden und nur wegen eines anderen Menschen wollte sie nicht ihren hart erarbeiteten Lebensstandart aufgeben.
Sie suchte wieder das Gespräch mit Caro. Erklärte ihr, dass sie es nicht mehr kann und sie nicht mehr sehen möchte. Ohne auf Caros entsetzten Blick zu achten, erklärte sie ihr weiter, dass sie auf Arbeit so distanziert wie möglich alles klären können, aber nicht mehr und nicht weniger. Somit drehte sie ihr den Rücken zu und ging. Caro stand noch da. Regungslos.
Die nächsten Wochen verliefen so, wie es sich Nele wünschte. Sie benahm sich so gut es ging wie immer, denn zu den anderen Kollegen hatte sie ja auch immer einen guten Draht gehabt. Nur Caro schaute sie so wenig wie möglich an und vermied jeden Kontakt, wenn es denn möglich war, auch wenn sie permanent ein komisches Gefühl verfolgte. Da sie aber Caro nicht anschaute, konnte sie auch nicht bemerken, dass diese sie auf Schritt und tritt beobachtete und nicht die Augen von ihr lassen konnte. Es zerriss Caro förmlich das Herz, wenn sie sah, dass Nele mit anderen lachte oder wie sie vergnügt ihre Arbeit erledigte. Manchmal musste Caro trotz des Schmerzes schmunzeln und dachte sich: sie ist wirklich ein Sonnenschein. Zu Hause war Caro auch nicht mehr dieselbe. Ihr Mann sprach sie darauf an, was denn mit ihr los sei. Seit sich Nele nicht mehr meldete, ist ihm aufgefallen wie verändert sie ist. Sie reagierte verärgert über sein ständiges Gefrage und plötzlich hatte sie so viele Kleinigkeiten an ihm auszusetzen, dass er überhaupt nicht mehr an sie herankam.
Caro wusste, dass es so nicht mehr weitergehen konnte. Endlich wurde ihr bewusst, dass ihr ohne Nele etwas im Leben fehlt. Sie lag nachts lange wach und erinnerte sich an so viele gemeinsame Momente. Wenn sie daran dachte, wie Nele sie so oft frech grinsend anstrahlte und wie offen ehrlich und aufrichtig sie zu allen Menschen ist, kamen ihr die Tränen. Wenn sie, aber daran dachte, wie sie sich neckten und Nele einen Versuch startete sie zu ärgern, musste sie kurz lächeln, bevor die Tränen sie überkamen.
Sie hielt es nicht mehr aus. Sie brauchte Nele. Sie liebte Nele. Sie wollte Nele.
Am nächsten Tag setzte sie sich ins Auto und fuhr zu ihr. Es war Samstag und als sie klingelte war Nele gerade fertig mit Frühstücken. Nichts ahnend öffnete sie die Tür. Noch bevor sie etwas sagen konnte, stürmte sich Caro auf sie und umarmte sie so fest sie konnte. Nele versuchte sich erst zu wehren, doch dann lies sie es einfach nur zu. Langsam lösten sie sich voneinander. Keiner Sprach auch nur ein Wort. Sie standen sich gegenüber, sahen sich in die Augen und da war er wieder, dieser Moment, den beide so sehr liebten. Beide hatten Tränen in den Augen und trotzdem huschte ihnen kurz ein Lächeln über die Lippen. Caro ging einen Schritt auf Nele zu, ohne den Blickkontakt zu verlieren. Nele griff zu Caros Hüfte und zog sie endgültig ran zu sich. Ihre Lippen kamen sich näher und nun brach der Blickkontakt ab, beide schlossen die Augen und spürten die Lippen der anderen, wie sie erst vorsichtig und zaghaft aufeinander trafen und mit jeder Sekunde fordernder wurden. Langsam löste sich Nele von Caro, grinste sie frech an und fragte nur: Hallo Caro, magst du nicht reinkommen? Denn schließlich standen sie beide immer noch in der Tür. Caro funkelte sie ebenso frech an und gab zurück, dass es ihr an der Tür gut gefällt und sie ihr gerne hier ihre Liebe gestehen würde. Nele packte sie und zog sie während sie sie küsste in die Wohnung. Diesesmal war es Caro, die unterbrach und sagte:
Nele, ich liebe dich.